Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 19. - 25. Dezember 2022 publiziert wurden:
- Urteil vom 18. November (2C_252/2022, 2C_253/2022): Staats- und Gemeindesteuern 2016-2017 (Aargau); die Beschwerdeführer beanstanden im Wesentlichen die Eröffnung des Eigenmietwerts ihrer Liegenschaft: Nach Auffassung der Beschwerdeführer bewirkt das Anpassungsdekret vorliegend nicht "automatisch" den Widerruf respektive die Revision der rechtskräftigen Verfügung des bisher geltenden Eigenmietwerts, sondern der neue Eigenmietwert hätte zuerst separat durch das Kantonale Steueramt verfügt werden müssen. Dies sei unterblieben, weshalb ihnen die sie betreffende Erhöhung nicht gesetzeskonform eröffnet worden sei. Die Tatsache, dass der kantonale Gesetzgeber in § 219 Abs. 1 StG/AG keine Ausnahme eingefügt habe, wonach im Falle eines (generell-abstrakten) Anpassungsdekrets vom Erlass einer Verfügung abgesehen werden könne, begründet noch keine Bundesrechtswidrigkeit. Vorliegend ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz §§ 218 f. StG/AG in bundesrechtswidriger Weise angewendet hätte. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 24. November 2022 (2C_123/2022): Direkte Bundes- und Kantonssteuern 2011-2014 (Tessin); die vorgenommenen Aufrechnungen bei den verbuchten Honoraren ist nicht zu beanstanden. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 22. November 2022 (2C_2/2022) - zur Publikation vorgesehen: Mehrwertsteuer 2012-2015; Streitig ist im vorliegenden Fall, ob der Dienststelle (DS) Liegenschaftsverwaltung die Mittel für den Bau des Gemeindehauses in Form einer Subvention oder eines anderen öffentlich-rechtlichen Beitrags gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG zugeflossen sind und deshalb der Vorsteuerabzug gemäss Art. 33 Abs. 2 MWSTG verhältnismässig zu kürzen ist. Die Vorinstanz stellte sich auf den Standpunkt die zum Zweck des Baus des Gemeindehauses auf die DS Liegenschaftsverwaltung umgebuchten Mittel seien dieser zwar zugeflossen, es handle sich jedoch um Einlagen in Unternehmen nach Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG. Der Begriff der Subvention ist auslegungsbedürftig. Nach dem Wortlaut der verschiedenen Sprachfassungen ergibt sich, dass Subventionen nach gewöhnlichem Sprachgebrauch finanzielle Unterstützungsbeiträge darstellen, die der Staat an Personen oder Gruppierungen ausrichtet, die in der Regel privat sind. Solange das Gemeinwesen die Mittel nicht ausgibt, sondern lediglich auf eine andere DS umbucht, richtet es also nach gewöhnlichem Sprachgebrauch keine Subvention aus. Auch teleologische und steuersystematische Überlegungen sprechen dagegen, die auf die DS Liegenschaftsverwaltung umgebuchten Mittel als Subvention oder andere öffentlich-rechtlichen Beitrag zu betrachten. Die Vorinstanz hat nämlich für das BGer verbindlich festgestellt, dass die einst der DS Liegenschaftsverwaltung für die Investition zur Verfügung gestellten Mittel wieder der Gemeinde zufliessen würden, wenn diese beschliessen würde, sämtliche Liegenschaften zu verkaufen, die DS Liegenschaftsverwaltung aufzulösen und fortan sämtliche benötigten Räumlichkeiten bei Dritten zu mieten. Die anderen DS verlören den Zugriff auf die betreffenden Mittel also nicht. Wenn das Gemeinwesen die empfangende DS auflösen und so auf die zur Verfügung gestellten Mittel zugreifen kann, wie die Vorinstanz darlegt, kann der betreffende gegenleistungslose Mittelfluss beim Gemeinwesen resp. bei der zuwendenden DS keine Ausgabe und bei der empfangenden DS keine Einnahme darstellen und damit nach der Rechtsprechung nicht unter Art. 18 Abs. 2 lit. a MWST fallen. Entgegen der Darstellung der ESTV sind rein buchmässige Mittelflüsse innerhalb desselben Gemeinwesens nicht vergleichbar mit Mittelflüssen aus dem Gemeinwesen an private Empfänger. Des Weiteren besteht auch ein qualitativer Unterschied zwischen Mittelflüssen innerhalb desselben Gemeinwesens und Mittelflüssen zwischen unterschiedlichen Gemeinwesen. Wenn Mittelflüsse innerhalb desselben Gemeinwesens keine Subventionen darstellen können, folgt daraus jedenfalls nicht, dass auch Mittelflüsse zwischen unterschiedlichen Gemeinwesen nicht unter Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG fallen können. Es trifft zwar zu, dass die spezielle Regelung der Steuersubjektivität in Art. 12 MWSTG Gemeinwesen zumindest in gewissen Konstellationen erlaubt, ihre mehrwertsteuerliche Position vor allem in Bezug auf den Vorsteuerabzug durch eine entsprechende Organisation ihrer DS zu optimieren und Art. 12 MWSTG insoweit ein gewisses Potenzial für eine Umverteilung öffentlicher Mittel vom Bund auf die Kantone und Gemeinden enthält. Dies rechtfertigt jedoch keine Ausdehnung des Subventionsbegriffs und der Vorsteuerabzugskürzung, die aufgrund der Systemwidrigkeit von Art. 33 Abs. 2 MWSTG nach der Rechtsprechung und der einhelligen Lehre gerade nicht angezeigt wäre. Dem Missbrauchspotenzial, das der Regelung von Art. 12 MWSTG inhärent ist, kann jedoch unter dem Titel der Steuerumgehung begegnet werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass keine Subvention im Sinne von Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG vorliegt und somit keine Vorsteuerkürzung gemäss Art. 33 Abs. 2 MWSTG angezeigt ist. Abweisung der Beschwerde der ESTV.
- Urteil vom 7. Dezember 2022 (2C_259/2022) - zur Publikation vorgesehen: Staats- und Gemeindesteuern 2017 (Aargau); Streitig und zu prüfen war, ob die Überweisung des Säule 3a Beitrags am 29. Dezember 2017 (Tag der Abbuchung) durch den selbständig erwerbstätigen Steuerpflichtigen noch rechtzeitig erfolgte, um einen entsprechenden Steuerabzug geltend zu machen. Die Gutschrift erfolgte bei der Vorsorgeeinrichtung infolge dazwischenliegender Sonn- und Feiertage erst am 3. Januar 2018. Gemäss BGer handelt es sich bei Säule 3a Beiträgen systematisch um private Lebenshaltungskosten und nicht um Aufwendungen, die im Geschäftsabschluss vom Einkommen zum Abzug gebracht werden könnten. Entsprechend seien für die Ermittlung des steuerbaren Einkommens die Regeln zur periodengerechten Abgrenzung von Aufwendungen im Hinblick auf die Erstellung des Geschäftsabschlusses nicht relevant. Durch Auslegung der einschlägigen Normen gelangt das BGer zum Schluss, dass zeitlich auf den Tag der Gutschrift und nicht auf den Tag der Abbuchung beim Steuerpflichtigen abzustellen ist. Gleiches folge bereits aus der Regelung zur Bescheinigungspflicht für geleistete Beiträge. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 25. November 2022 (2C_81/2022, 2C_102/2022): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2007-2011 (Waadt); Vereinigung der Verfahren; der Streitgegenstand betrifft die Nachsteuern für die Steuerperioden 2007 bis 2009 sowie die Bussen wegen versuchter Steuerhinterziehung für die Steuerperioden 2010 und 2011 (vgl. hierzu auch bereits das Urteil vom 8. Juli 2021 (2C_116/2021) sowie unseren Beitrag vom 25. Juli 2021). Die Voraussetzungen für eine Nachbesteuerung waren vorliegend erfüllt. Mit der Bestätigung einer Bussenhöhe, die auf zwei Drittel der hinterzogenen Steuer festgesetzt wurde, hat die Vorinstanz das Bundesrecht nicht verletzt (Art. 176 Abs. 2 DBG). Die Beschwerde der StV/VD erweist sich als begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben, soweit es die Nachsteuern 2007-2009 betrifft. Der Einspracheentscheid der kantonalen Verwaltung vom 12. Mai 2020 wird bestätigt, soweit er sich auf die Nachsteuern 2007-2009 bezieht. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 7. Dezember 2022 (2C_524/2022): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2017 (Genf); Kostenvorschuss; es ist nicht willkürlich, dass die Vorinstanzen aufgrund verspäteter Bezahlung des Kostenvorschusses nicht auf die Rechtsmittel eingetreten sind. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 15. November 2022 (2C_392/2022): MWST 2011-2015; Wenn die schriftliche Anerkennung oder die vorbehaltlose Zahlung nur einen Teil des in der Schätzungsmitteilung aufgeführten Betrags betrifft, wird die Steuerforderung in Höhe dieses Betrags rechtskräftig bzw. erlischt; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
Nichteintretens - und Abschreibungsentscheide:
Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.
Nachtrag: Beim Urteil vom 15. November 2022 (2C_392/2022), welches im letzten Newsletter vom 21. Dezember 2022 aufgeführt war, wurde die Beschwerde seitens der der ESTV erhoben (und nicht wie fälschlicherweise ausgeführt von den Steuerpflichtigen).