Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die in der Woche vom 14. - 20. Dezember 2020 publiziert wurden.
- Urteil vom 23. November 2020 (2C_387/2020): MWST (2010 bis 2012); Es ist nicht willkürlich, dass die Vorinstanz angenommen hat, die ins Ausland an bestimmte Personen bezahlten Provisionen stellten kein Arbeitsentgelt sondern ein bezugssteuerpflichtiges Entgelt für eine unternehmerische Tätigkeit dar; es liegt auch keine befreite ausländische Vermittlungsleistung i.S.v. Art. 23 Abs. 2 Ziff. 9 MWSTG vor, da die Personen im Ausland hierfür als direkte Stellvertreter der Steuerpflichtigen hätten handeln müssen; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 30. November 2020 (2C_895/2019): Interkantonales Steuerrecht (2016-2019); Streitig ist, ob die Gesellschaft ihre tatsächliche Verwaltung im Kanton GR hat oder im Kanton TI. Der Steuerpflichtige hat nicht nachgewiesen, dass er im Kanton GR über eine genügende Infrastruktur verfügt. Zudem hat er dieselbe Telefonnummer wie bei seinen Gesellschaften im Kanton TI und seine briefliche Korrespondenz ans Steueramt ging mehrheitlich immer vom Kanton TI aus. Im Jahre 2019 ergingen wesentliche Änderungen, die in der Argumentation für die tatsächliche Verwaltung noch nicht berücksichtigt wurden. Teilweise Gutheissung der Beschwerde der Steuerpflichtigen für die Steuerperiode 2019 und Abweisung der Beschwerde für die Steuerperioden 2016-2018.
- Urteil vom 01. Dezember 2020 (2C_310/2020): Amtshilfe DBA CH-USA; Informationsrecht; Die Beschwerdegegner sind alle in den Genuss eines rechtskräftigen und vollstreckbaren zivilrechtlichen Urteils gekommen, welches einer bestimmten Bank untersagt, den US-Behörden ausserhalb eines Amtshilfeverfahrens Informationen zu übermitteln, die ihre Identifizierung ermöglichen. Streitig ist, ob die ESTV diese Personen informieren muss, wenn sie sich bei der Amtshilfe entschliesst, die Daten, welche die Identifizierung ermöglichen, bei der Übermittlung nicht zu schwärzen. Diese zivilrechtlichen Urteile belegen das Bestehen eines schutzwürdigen Interesses der Beklagten über die Existenz eines US-Amtshilfeverfahrens informiert zu werden. Die ESTV hat die Praxis, Personen mit zivilrechtlichen Urteilen vorsorglich mittels einer Liste Parteistellung einzuräumen, aufgegeben. Wenn sie nicht beabsichtigt diese Praxis wieder aufzunehmen, muss sie bei den jeweiligen Banken (Informationsinhaber) eine Liste anfordern über alle Personen, in Bezug auf die ein zivilrechtliches Urteil besteht. Abweisung der Beschwerde der ESTV.
- Urteil vom 29. Oktober 2020 (2C_745/2020): Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Schwyz und direkte Bundessteuern (2005-2008, 2010-2012); An den Unrichtigkeitsnachweis bei Ermessensveranlagungen sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Die blosse Zusammenfassung von Kontoständen, ohne sich detailliert mit den gegenteiligen vorinstanzlichen Überlegungen auseinander zu setzen, reicht nicht; Verfahrens- und Anwaltskosten für ein Strafverfahren gelten grundsätzlich nicht als geschäftsmässig begründete Aufwendungen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 30. Oktober 2020 (2C_1021/2019): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2015 (Graubünden); Die beiden Steuerpflichtigen gründeten gemeinsam mit ihrer zusammen zu 100% gehaltenen AG eine Baugesellschaft (einfache Gesellschaft); In diese Gesellschaft brachte die AG ein Grundstück ein; Dieses Grundstück wurde zu Stockwerkeigentumseinheiten ausgestaltet wovon den beiden Steuerpflichtigen 5 Einheiten zu je ½ Miteigentum zugewiesen wurden; Insbesondere mit Blick auf das planmässige Vorgehen und die eingebrachten Fachkenntnisse schütze das Bundesgericht die Feststellungen der Vorinstanz, wonach die Steuerpflichtigen im Rahmen ihrer Teilhaberschaft an der Baugesellschaft als gewerbsmässige Liegenschaftenhändler, das eingebrachte Grundstück entsprechend als Geschäftsvermögen und die Übertragung der Stockwerkeinheiten im Ergebnis als eine nach Art. 18 Abs. 2 DBG steuerbare Überführung vom Geschäfts- ins Privatvermögen der Steuerpflichtigen zu qualifizieren sei; Ebenfalls in Übereinstimmung mit der Vorinstanz kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Zuweisung der Stockwerkeinheiten zu Miteigentum der Steuerpflichtigen keine liquidationsbedingte Veräusserung bzw. Überführung bildet und es demnach am für die Liquidationsbesteuerung (Art. 37b Abs. 1 Satz 1 DBG) erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Liquidation und Realisation fehlt; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 16. November 2020 (2C_742/2020): Einfuhr von Kunstwerken in Sachen Schwarzenbach gegen Oberzolldirektion (zweiter Rechtsgang); Beschwerde gegen das Urteil des BVGer A-2905/2020 vom 5. August 2020 (Urteil nach Rückweisungsentscheid), in welchem einzig noch geprüft worden war, ob das Verkaufskommissionsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der Galerie simuliert war (vgl. unsere Beiträge vom 27. September 2020 sowie 7. Juni 2020 und 3. Februar 2019); da die vorliegende Beschwerde kaum Argumente enthält, die nicht bereits geprüft worden sind, verweist das BGer auf das Urteil 2C_219/2019 vom 27. April 2019; Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 23. November 2020 (2C_886/2020): Staats- und Gemeindesteuern, direkte Bundessteuer 2016 (Graubünden); Die vom Steuerpflichtigen gehaltene Gesellschaft hatte einen Mietzins an den Steuerpflichtigen verbucht. Die Vorinstanz durfte annehmen, der Steuerpflichtige habe in diesem Umfang Ertrag aus unbeweglichem Vermögen realisiert. Insbesondere das Vorbringen des Steuerpflichtigen, es sei kein (resp. nicht im vollen Umfang) Geld geflossen, ist irrelevant. „Beim Vermögenszugang oder Vermögenszufluss handelt es sich um einen faktischen Vorgang. Er tritt ein, falls und sobald die steuerpflichtige Person die rechtliche Verfügungsmacht über die zugegangenen Vermögenswerte erlangt. Der Rechtserwerb kann sich als Forderungs- (obligatorisches Recht) oder Eigentumserwerb (dingliches Recht) darstellen. Auch blosse Gutschriften, die der Auszahlung der Leistung vorangehen oder als Alternative zu dieser bestehen, fallen unter die echten (und nicht bloss fiktiven) Erträge. Sie gelten als Vermögenszufluss, selbst wenn sie begrifflich von keinen Liquiditätsfolgen begleitet sind“. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 23. November 2020 (2D_48/2020): Staats- und Gemeindesteuer Aargau 2016 - 2018; Erlass von Steuern, Novenverbot, Revisionsgrund, Fristenwahrung bei (un)zertifizierten E-Mails; unzertifizierte E-Mails, welche die Anforderungen des Bundesgesetzes über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (ZertES) nicht erfüllen, sind fristentechnisch nicht zu den Akten anzuerkennen. Das Steuergesetz Aargau kennt keinen Anspruch auf Erlass, weshalb die Steuerpflichtigen nicht zur einer Willkürrüge legitimiert sind. Abweisung deren Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist.
- Urteil vom 01. Dezember 2020 (2C_485/2020): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2015 (Wallis); Streitig ist, ob die Mietkosten einer zusätzlich angemieteten Wohnung als behinderungsbedingte Aufwendungen gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG geltend gemacht werden können. Das Kreisschreiben der ESTV sieht vor, von welchem hier nicht abzuweichen ist, dass es sich bei den Unterkunftskosten um laufende Lebenserhaltungskosten handelt und diese somit nicht abzugsfähige behinderungsbedingte Kosten darstellen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
Nichteintretensentscheide:
- Urteil vom 29. Oktober 2020 (2F_17/2020): Revisionsgesuch (Steuerperioden 2002-2004 und 2009); Der Gesuchsteller beantragte in seiner 70 seitigen Eingabe die Revision der streitgegenständlichen Steuerperioden. Der Antrag, die Steuerperioden seinen «den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend zu korrigieren» genügt den Substantiierungsgrundsätzen nicht.
Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.