Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 16. - 22. Dezember 2024 publiziert wurden:
- Urteil vom 15. November 2024 (9C_375/2024): MWST 2012-2017; streitig ist, ob das Bundesverwaltungsgericht Recht verletzte, als es eine Steuernachforderung gegenüber der Universität Zürich für die «Verkehrsmedizinischen Gutachten» in den Jahren 2014-2017 verneinte. Die Universität hat bei der ESTV um eine Auskunft der steuerrechtlichen Qualifikation ersucht, wobei diese mit E-Mail vom 9. Juni 2010 eine falsche Auskunft erteilte. Mit Schreiben vom 11. Mai 2012 führte die ESTV zwar aus, ihre vorgängig erteilten Auskünfte seien richtig zu stellen. Allerdings enthält dieses Schreiben keine konkrete Aussage darüber, ob die von der Universität Zürich erstellten Gutachten von der Steuer ausgenommen sind oder nicht. Das Schreiben vom 11. Mai 2012 vermochte das Vertrauen der Universität Zürich in die Richtigkeit der Auskunft nicht zu erschüttern. Somit hat das Bundesverwaltungsgericht kein Recht verletzt. Abweisung der Beschwerde der ESTV.
- Urteil vom 3. Dezember 2024 (9F_19/2024): Haushaltabgabe gemäss Art. 69 ff. RTVG, Abgabeperiode 2021; der Abgabepflichtige beantragt erneut die Revision eines früheren bundesgerichtlichen Urteils. Im Ergebnis erweist sich das Revisionsgesuch in sämtlichen Anträgen als offensichtlich unbegründet und ist daher ohne Schriftenwechsel oder sonstige Instruktionsmassnahmen (Art. 127 BGG) abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Abweisung der Beschwerde des Abgabepflichtigen.
- Urteil vom 4. Dezember 2024 (9C_308/2024 und 9C_309/2024): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2009-2010 (Appenzell Ausserrhoden); streitbetroffen ist die einem Treuhänder auferlegte Busse wegen Gehilfenschaft zur vollendeten Steuerhinterziehung im Jahr 2010 sowie sein Entschädigungs-/Genugtuungsanspruch. Der Treuhänder brachte vor, dass (auch) für das Jahr 2010 die Verjährung eingetreten sei. Das Bundesgericht entschied jedoch, dass der Einspracheentscheid vom 20. April 2020 alle materiellen Elemente einer Verfügung enthielt und daher verjährungshemmend wirkte. Zudem erkannte das Bundesgericht keine Grundlage für einen Entschädigungs-/Genugttungsanspruch. Abweisung der Beschwerde des Treuhänders.
- Urteil vom 27. November 2024 (9C_302/202) - zur Publikation vorgesehen: MWST 2014 - 2017; an der seit Jahrzehnten vertretenen Formel, wonach sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung von Ermessenseinschätzungen eine "gewisse Zurückhaltung" auferlegt, ist festzuhalten. Diese findet zwar weder im materiellen Recht (Mehrwertsteuerrecht) noch im Verfahrensrecht eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Die Selbstbeschränkung beruht auf einer praktischen Notwendigkeit und ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, solange sie nicht zu einer blossen Prüfung auf Willkür verkommt. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 3. Dezember 2024 (9C_585/2024): Staats- und Gemeindesteuern 2009 und 2010 (Zürich); dem Urteil gehen diverse Verfahren bezüglich der Steuerpflicht im Kanton Zürich bzw. Kanton Appenzell Ausserrhoden voraus. Strittig war, ob die Steuerpflichtige für die Steuerperiode 2010 auf dem Wege des ordentlichen Verfahrens und nicht in einem Nachsteuerverfahren zu veranlagen wäre; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 3. Dezember 2024 (9C_635/2024): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2021 (Luzern); unentgeltliche Rechtspflege; strittig war, ob das Kantonsgericht auf das zweite Gesuch der Pflichtigen um unentgeltliche Rechtspflege zu Recht nicht eingetreten war. Das erste Gesuch wurde aufgrund eines festgestellten Einkommensüberschusses abgewiesen, was vom Bundesgericht als rechtmässig bestätigt wurde (vgl. hierzu unseren Beitrag vom 21. April 2024). Das strittige zweite Gesuch stellte faktisch ein Wiedererwägungsgesuch dar, mit welchem erhebliche Tatsachen oder Beweismittel geltend zu machen gewesen wären, die der Beschwerdeführerin im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder deren Geltendmachung ihr damals rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder zu deren Geltendmachung sie keinen Anlass hatte (sog. unechte Noven). Die Beschwerdeführerin hat keine derartigen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 9. Dezember 2024 (9C_220/2024): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2006-2009 (Schaffhausen); Nachsteuerverfahren; Hintergrund war eine erhebliche Vermögenszunahme der Ehegatten, die diese nicht erklären konnten. Die Steuerverwaltung Schaffhausen ersuchte die ASU um Unterstützung. Das Geschäftsmodell des Steuerpflichtigen basierte darauf, dass sogenannte Spezialisten Entwicklungsdienstleistungen für die Einzelfirma C. erbrachten. Um die Identität der beteiligten Personen zu wahren, wurden die erbrachten Leistungen nicht direkt durch C., sondern über Offshore-Entwicklungsgesellschaften abgegolten, die ihrerseits C. Rechnungen stellten. Der seit 2003 von den Entwicklungsgesellschaften in Rechnung gestellte Aufwand wurde im Wesentlichen als fiktiv qualifiziert. Die Ehegatten konnten keine gegenteiligen Beweise vorlegen. Abweisung der Beschwerde der steuerpflichtigen Ehegatten.
- Urteil vom 25. November 2024 (9C_511/2023): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2014-2017 (Neuenburg); Steuerhinterziehung; für die Steuerperioden 2014 bis 2017 wurde das steuerpflichtige Ehepaar A. mangels Einreichung der Steuererklärung nach pflichtgemässem Ermessen veranlagt. Diese Veranlagungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Die nachträglich eingereichten Steuererklärungen für die betreffenden Steuerperioden wiesen ein höheres steuerbares Einkommen aus, als in den Ermessensveranlagungen veranlagt worden war. Die auf der Differenz erhobene Nachsteuer erwuchs nach teilweiser Gutheissung der Einsprache in Rechtskraft. Die Busse wegen vollendeter Steuerhinterziehung wurde auf 75 % der hinterzogenen Steuer festgesetzt. Vor Bundesgericht vermochten die Steuerpflichtigen keine Rechtsverletzung durch die Vorinstanzen geltend zu machen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 26. November 2024 (9C_119/2024): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2021 (Zürich); Fristwiederherstellung; auf die gegen die Veranlagung 2021 erhobene Einsprache ist die Steuerverwaltung wegen Verspätung nicht eingetreten. Auch der daraufhin erhobene Rekurs bzw. die erhobene Beschwerde waren verspätet. Vor Verwaltungsgericht machte der Steuerpflichtige einen Fristwiederherstellungsgrund wegen Krankheit geltend und legte erstmals ein ärztliches Attest vor. In diesem Zusammenhang rügte er, dass die Vorinstanzen ihre Untersuchungspflicht verletzt hätten, indem sie nicht nach dem Hinderungsgrund der Verspätung gefragt und keine entsprechende Nachweise verlangt hätten. Das Verwaltungsgericht verneinte eine Rechtsverletzung und liess das Arztzeugnis als unzulässiges Novum unberücksichtigt. Diese Rechtsauffassung wurde vom Bundesgericht bestätigt. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 2. Dezember 2024 (9C_435/2024): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2009-2014 (Genf); Nachsteuerverfahren; der während dem Verfahren verstorbene Pflichtige war als selbstständig erwerbender Gerichtsvollzieher im Kanton Genf tätig. Nachdem die ESTV eine verwaltungsstrafrechtliche Untersuchung durchführte, aber wegen Verjährung einstellte, eröffnete die Steuerverwaltung Genf für die Steierperioden 2007 bis 2014 ein Nachsteuerverfahren, da der Pflichtige seine Umsätze nicht vollständig und eine Bankkonto überhaupt nicht deklarierte. Seine Erben konnten die eingeforderten Bankauszugüge nicht vorlegen und für die Jahre 2009 bis 2014 nicht beweisen, dass die festgesetzten Nachsteuerfaktoren falsch gewesen seien. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 25. November 2024 (9C_168/2023, 9C_176/2023) - zur Publikation vorgesehen: Umsatzabgabe 2011-2016; hinsichtlich der Übertragung einer Beteiligung innerhalb des Konzerns (Transaktion A) bestätigt das Bundesgericht die Entscheidung der Vorinstanz, dass diese von der Umsatzabgabe befreit ist, da eine Übertragung einer indirekten Beteiligung von 39,9% vorliegt, welche die Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 1 lit. j StG erfüllt. Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in Form von Performance Share Units (PSU) und Restricted Stock Units (RSU) (Transaktion B) kommt das Bundesgericht hingegen zum Schluss, dass die Übertragung von PSU und RSU nicht der Umsatzabgabe unterliegt. Die Vorinstanz hatte argumentiert, dass die Übertragung von PSU und RSU entgeltlich erfolgt, da sie als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden zu verstehen sei. Das Bundesgericht stellt jedoch klar, dass die Zuteilung der Units nicht an eine klar definierte Arbeitsleistung gekoppelt ist und somit keine entgeltliche Transaktion im Sinne von Art. 13 Abs. 1 StG darstellt. Gutheissung der Beschwerde der Steuerpflichtigen; Abweisung der Beschwerde der ESTV.
- Urteil vom 27. November 2024 (9C_19/2024, 9C_20/2024) - zur Publikation vorgesehen: Unternehmensabgabe gemäss Art. 70 ff. RTVG (Steuerperiode 2021); das Bundesgericht befasste sich mit der Frage der Verfassungsmässigkeit der degressiven Struktur des Tarifs für die Unternehmensabgabe gemäss Art. 67b Abs. 2 RTVV. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass diese Struktur das Rechtsgleichheitsprinzip und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletze, da kleinere Unternehmen proportional stärker belastet würden als grössere. Das Bundesgericht stellte die Verfassungswidrigkeit des Tarifs fest, entschied jedoch in einem Appellentscheid, dass dieser aus Gründen der Rechtssicherheit und Verhältnismässigkeit bis zum Inkrafttreten eines neuen (verfassungskonformen) Tarifs weiterhin anzuwenden sei. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen und der ESTV.
- Urteil vom 28. November 2024 (9C_296/2024, 9C_365/2024): MWST 2013-2017; Verwendung eines Helikopters; da die Steuerpflichtige den Preis pro private Flugstunde im Nachhinein zur Rulinganfrage mehrmals angepasst hat, entfällt die rechtliche Bindungswirkung des Rulings. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen. Bzgl. Beschwerde der ESTV, Rückweisung der Sache zur neuen Verfügung an die ESTV.
- Urteil vom 28. November 2024 (9C_363/2024) - zur Publikation vorgesehen: MWST 2014-2019; vorliegend zu prüfen ist, ob die steuerpflichtige Stiftung weiterhin in ihrem Vertrauen auf eine Auskunft der ESTV über die Festsetzung der unternehmerischen Tätigkeit (40% unternehmerische und 60% nicht-unternehmerische Tätigkeit) zu schützen ist. Der verfassungsmässige Vertrauensschutz verlangt unter anderem, dass der Rechtssuchende im Vertrauen auf eine Auskunft Dispositionen getroffen haben muss, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können. Im Mehrwertsteuerrecht besteht aufgrund von Art. 69 MWSTG ein Anspruch auf behördliche Auskunft. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die genannte Voraussetzung, im Bereich von Art. 69 MWSTG nicht gelten kann. Auch die Änderung einer Praxisfestlegung im Nachgang an BGE 141 II 199 (Gesetzeswidrigkeit der 25/75-Prozent-Praxis) sowie weitere bundesgerichtliche Urteile zur Thematik führen vorliegend nicht dazu, dass die steuerpflichtige Person sich nicht mehr auf die ihr erteilte Auskunft berufen kann. Mit Ausnahme von einem Jahr lagen die unternehmerischen Erträge stets über 40%, sodass das Festhalten an der Auskunft sich nicht einseitig zugunsten der Steuerpflichtigen auswirkt. Da es an relevanten Änderungen sowohl der Rechtslage als auch in den tatsächlichen Verhältnissen fehlt, ist die Steuerpflichtige bis zum Widerruf der Auskunft in ihrem Vertrauen zu schützen. Abweisung der Beschwerde der ESTV.
Nichteintreten / Revisionsbegehren:
Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.