Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 23. - 29. Oktober 2023 publiziert wurden:
- Urteil vom 19. September 2023 (9C_266/2023) zur Publikation vorgesehen: Anschlussgebühren der Gemeinde Aigle/VD; Die Gemeinde stellte der Beschwerdeführerin zwei Veranlagungsverfügungen für die Anschlussgebühr von Trink- und Abwasser zu, wogegen diese Rekurs einlegte. Die kommunale Rekurskommission teilte mit, dass sie für diesen Fall einen Anwalt beiziehe. Die Steuerpflichtige stellte u. a. ein Ausstandbegehren gegen den Anwalt. Weiter macht sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Die kommunale Rekurskommission kann nicht als Gericht im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV angesehen werden. Sie übt zwar eine gerichtliche Funktion aus, jedoch als Verwaltungsbehörde, da sie Entscheidungen treffen soll, die auf öffentlichem Recht beruhen. Die Rüge der Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV ist unbegründet, da nur die Anforderungen von Art. 29 BV auf die Beschwerdegegnerin anwendbar sind. Die kommunale Rekurskommission hat die allgemeinen Verfahrensgarantien gemäss Art. 29 Abs. 1 BV zu beachten. Die Beschwerdegegnerin ist berechtigt, die Dienste eines externen Rechtsvertreters in Anspruch zu nehmen. Da dieser Beauftragte keine Entscheidungsbefugnis hat und seine Befugnis nicht über die eines Beraters hinausgeht, liegt keine Verletzung der Garantien von Art. 29 Abs. 1 BV vor. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 03. Oktober 2023 (9C_233/2023) - zur Publikation vorgesehen: Direkte Bundessteuer 2018; Streitig und zu prüfen ist, ob der Ehemann als zahlungsunfähig zu gelten habe. Nach der allgemeinen Formel, die sich in der bisherigen Rechtsprechung findet, liegt Zahlungsunfähigkeit im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBG vor, wenn der betreffende Ehegatte auf unbestimmte Zeit über keine ausreichenden Mittel verfügt, um die fälligen Steuern zu bezahlen. In seinem Fallrecht hat das Bundesgericht die Zahlungsunfähigkeit üblicherweise dann bejaht, wenn zu den Steuern der betreffenden Steuerperiode definitive Verlustscheine i.S.v. Art. 115 Abs. 1 SchKG vorliegen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen gilt, dass ggü. dem Ehemann keinerlei Betreibungen oder Verlustscheine vorliegen bzw. dass er in kein Konkursverfahren und in keinen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung verwickelt ist. Die Rechtsfolge (Wegfall der solidarischen Mithaftung des einen Ehegatten) hängt dem Wortlaut zufolge davon ab, dass der andere Ehegatte zahlungsunfähig ist. Der Wortlaut ist insofern aus sich selbst heraus nicht klar, er muss anderweitig geschlossen werden. Der Blick in die Materialen zeigt, dass Bundesrat und Räte der Ansicht waren, die Rechtsfigur der Zahlungsunfähigkeit sei gewissermassen selbsterklärend. Einen Erkenntnisgewinn erlaubt das systematische Auslegungselement. Betriebswirtschaftlich liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn ein Betrieb einerseits über keinerlei flüssige Mittel mehr verfügt bzw. auf kurze Sicht durch Darlehensaufnahme keine solchen beschaffen kann und andererseits keine werthaltigen, nicht betriebsnotwendigen beweglichen oder unbeweglichen Aktiven mehr hält, die sich kurzfristig versilbern liessen. Sinn und Zweck von Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBG bestehe darin, bei rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe das Vermögen jenes Ehegatten zu bewahren, der auch weiterhin zahlungsfähig ist. Zusammenfassend liegt Zahlungsunfähigkeit i.S.v. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBG vor, wenn der Ehegatte in tatsächlich und rechtlich ungetrennter Ehe zumindest auf mittlere Frist über keinerlei pfändbares Einkommen und gleichzeitig über keinerlei versilberbares Vermögen verfügt. Die Norm ruft nach einer umfassenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, wobei eine Gesamtwürdigung anzustellen ist. Vor diesem Hintergrund vermag die Ehefrau nicht überzeugend vorzubringen, der Ehemann sei zahlungsunfähig. Dieser erzielt pfändbare Einkünfte und verfügt über ein eigenes Vermögen. Es ist auch von keiner rechtserheblichen Bedeutung, in welcher Weise die Steuerfaktoren auf die beiden Personen verteilt bzw. wie hoch der jeweilige Anteil an der Gesamtsteuer ist. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 10. Oktober 2023 (9C_708/2022): Kantons- und Gemeindesteuern 2017 (Wallis); Das vorliegende Urteil erging in Folge des Bundesgerichtsurteils 2C_461/2021 vom 19. Januar 2022 (vgl. hierzu unseren Beitrag vom 6. Februar 2022) in welchem der Steuerpflichtigen der Status einer Holdinggesellschaft für die Steuerperiode 2017 aberkannt wurde. In Umsetzung dieses Urteils wurden die Beteiligungen der Steuerpflichtigen per 1. Januar 2017 auf den Verkehrswert aufgewertet. Aufgrund der mangelnden Begründung der Vorinstanz für die Aufwertung sah die Steuerbehörde ihr rechtliches Gehör verletzt. Da der angefochtene Entscheid weder eine Erklärung zu den Gründen für die Anwendung einer Neubewertung der Wertschriften zum Verkehrswert, noch zur gesetzlichen Grundlage einer solchen Lösung enthielt, sah das Bundesgericht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör mangels Begründung der gerichtlichen Entscheidung als erfüllt. Damit erübrigte sich für das Bundesgericht eine materielle Auseinandersetzung hinsichtlich der Rechtmässigkeit einer solchen Neubewertung. Gutheissung der Beschwerde der Steuerbehörde.
Nichteintretensentscheide:
Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.