Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 24. - 30. Juli 2023 publiziert wurden:

  • Urteil vom 19. Juni 2023 (9C_701/2022): Verrechnungssteuer, Steuerperioden 2017-2018; Rückerstattung; Strittig ist vorliegend die Frage, ob ein Alleinaktionär zur Rückerstattung der Verrechnungssteuer infolge geldwerter Leistungen der Gesellschaft berechtigt ist, resp. ob vorliegend ein Fall von «nur» fahrlässiger Nichtdeklaration nach Art. 23 Abs. 2 VStG gegeben ist. Der Nachweis des Vorsatzes gilt als erbracht, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich der Steuerpflichtige der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der gemachten Angaben bewusst war. Ist dieses Wissen erwiesen, so ist zu vermuten, dass er auch mit Willen handelte, d.h. eine Täuschung der Steuerbehörden beabsichtigt und eine zu niedrige Veranlagung bezweckt (direkter Vorsatz) oder zumindest in Kauf genommen hat (Eventualvorsatz). Mit Blick auf den während Jahren verbuchten Privataufwand (geschäftsmässig offensichtlich nicht begründete Spesen) bzw. die nicht verbuchten Erträge (privat vereinnahmte Rechnungen) kann nicht von einem Versehen gesprochen werden und mindestens der Eventualvorsatz gilt als erstellt. Demnach wurde dem Steuerpflichtigen die Rückerstattung der Verrechnungssteuer zurecht verweigert. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 23. Juni 2023 (9C_682/2022 und 9C_683/2022) - zur Publikation vorgesehen: Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2017 (Basel-Landschaft); Ein Fussballer (Steuerpflichtiger) schloss einen Arbeitsvertrag mit einem in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ansässigen Fussballclub mit Laufzeit bis am 1. August 2015. Der Arbeitsvertrag wurde mit Vereinbarung vom 9. Juli 2013 vorzeitig und mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Diese Vereinbarung sah die Zahlung einer Entschädigung von rund EUR 2.3 Mio. vor, wobei die Auszahlung gestaffelt erfolgen sollte (5 Teilzahlungen zwischen 30. Juli 2013 und 30. Juni 2015). Am 13. Juli 2013 verlegte der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz zusammen mit seiner Ehefrau zunächst in den Kanton BS und vor Ablauf des Jahres 2013 schliesslich in den Kanton BL. Nach zwei Zahlungen stellte sich der VAE-Club auf den Standpunkt, die restlichen Zahlungen seien nach VAE-Recht verjährt. Dagegen wehrte sich der Steuerpflichtige erfolgreich, woraufhin der VAE-Club im Jahr 2017 die ausstehenden Zahlungen (ca. CHF 1.8 Mio.) leistete. Im Januar 2018 teilten die Steuerpflichtigen den Steuerverwaltungen der Kantone BL und BS mit, dass die Steuererklärungen 2013-2015 unvollständig waren, weil sie insb. die Forderungen gegen den VAE-Club nicht aufgeführt hätten. Die Steuerverwaltung des Kantons BL rechnete die CHF 1.8 Mio. jedoch zum steuerbaren Einkommen 2017 hinzu. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Steuerpflichtigen hiess das Kantonsgericht BL gut. Das BGer hatte nun zu prüfen, ob die Einkünfte dem Steuerpflichtigen in der Steuerperiode 2017 zugeflossen und steuerbar sind und falls ja, ob dieser Besteuerung das DBA-AE entgegensteht. Das BGer kam zum Schluss, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich erst bei Fälligkeit der einzelnen Raten (nicht schon bei Abschluss der Vereinbarung vom 9. Juli 2013) einen festen Anspruch auf die betreffende Zahlung erwerben konnte (sog. Soll-Methode). Davon sei vorliegend jedoch abzuweichen und die Raten stellen erst im Zeitpunkt der Auszahlung 2017 einen steuerrechtlichen Vermögenszugang dar, weil der VAE-Club unmissverständlich seine Zahlungsunwilligkeit preisgab (Verjährungseinrede). Gemäss BGer fällt die streitbetroffene Leistung nicht unter Art. 17 Abs. 1 DBA-AE (Künstler u. Sportler), weil diese nicht für eine in den VAE persönlich ausgeübte Tätigkeit bezogen wurde, sondern mehr einer Ausfallentschädigung entspricht. Im Rahmen der Auslegung von Art. 15 Abs. 1 DBA-AE präzisierte das BGer seine Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Änderungen des OECD-MK nach Abschluss eines DBA dahingehend, dass der Stellenwert späterer Kommentierungen für den Auslegungsprozess vergleichbar mit jenem anderen Schrifttums oder von Gerichtsurteilen sei. Gemäss BGer kommt den VAE auch unter Art. 15 Abs. 1 DBA-AE kein Besteuerungsrecht zu, weil die streitbetroffene Zahlung keine Gegenleistung für unselbständige Arbeit darstellt (vielmehr ähnelt sie einer Schadenersatzzahlung). Die Zahlung unterliegt somit nach internem schweizerischen Recht der Besteuerung und nach Völkerrecht dem Besteuerungsrecht der Schweiz. Gutheissung der Beschwerde der Steuerverwaltung BL.
  • Urteil vom 21. Juni 2023 (9C_650/2022): Staats- und Gemeindesteuern St. Gallen 2008-2013; Steuerhinterziehung; Die Abteilung Strafsachen und Untersuchungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ASU) leitete einen Bericht über B, welcher der einzige Verwaltungsrat der A AG und C AG ist, an das kantonale Steueramt St. Gallen weiter, welches daraufhin ein Untersuchungsverfahren gegen die A AG eröffnet hat. Das Bundesgericht bestätigt vorliegend, dass ein Strafbefehl der Steuerbehörden alleine basierend auf den ASU-Untersuchungsergebnissen zulässig ist. Weder das rechtliche Gehör, noch die EMRK-Rechte, noch Verfahrensgrundsätze seitens der ASU oder des KSTA SG wurden vorliegend verletzt. Die Steuerpflichtige konnte nicht nachweisen, inwiefern die Abschreibungen auf fiktives Anlagevermögen oder Aufwände von fiktiven Leistungen von der C AG real waren. Abweisung der Beschwerde der Beschwerdeführerin.
  • Urteil vom 26. Juni 2023 (9C_619/2022): Staats- und Gemeindesteuern und direkte Bundessteuer 2014–2015 (Tessin); Quellensteuer; Fraglich und zu prüfen war im vorliegenden Fall, ob die Vorinstanz zu Recht im ordentlichen Verfahren nach Art. 90 Abs. 2 aDBG auf eine Anrechnung der bereits abgezogenen Quellensteuer verzichtet hat. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass das von der Vorinstanz vorgebrachte Argument, der Beschwerdeführer habe einen Einfluss auf die Abführung der einbehaltenen Quellensteuer durch die Arbeitgeberin, da er bis am 13. Januar 2015 alleiniger Geschäftsführer und danach immer noch deren «dominus» geblieben sei und dass daher auf eine Anrechnung zu verzichten sei, gegen das Legalitätsprinzip verstösst. Das Bundesgericht verneint ausserdem das Vorliegen einer Steuerumgehung. Gutheissung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.

Nichteintreten:

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.