Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen 4. - 10. April 2022 publiziert wurden:

  • Urteil vom 14. März 2022 (2C_792/2021): Verrechnungssteuer 2013 und 2014 (Genf); Streitig ist, ob A. als einziger Aktionär der B. AG einen Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf geldwerten Leistungen der B. AG hat. Für das Jahr 2013 richtet sich die Frage nach Art. 23 aVStG und für das Jahr 2014 nach dem aktuellen Art. 23 VStG. In der ersten eingereichten Steuererklärung 2013 hat A. diese Leistungen nicht erwähnt. Erst als die ESTV im Juli 2017 eine Kontrolle der B. AG durchführte, meldete er diese der kantonalen Steuerverwaltung. Somit hat er seinen Rückerstattungsanspruch in Bezug auf das Jahr 2013 verwirkt. Nach neuem Recht existiert in Art. 23 VStG ein Absatz 2, welcher zur Anwendung kommt, wenn die Deklaration nicht rechtzeitig erfolgte. Verlangt wird aber, dass fahrlässig nicht deklariert wurde. A. hatte aber auch im Jahr 2014 Kenntnis von den geldwerten Leistungen. Die Nichtdeklaration ist nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich erfolgt. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 16. März 2022 (2C_1054/2021): Zollgebühren; Kostenvorschuss; Strittig im vorliegenden Fall war, ob die Ablehnung des Bundesverwaltungsgerichts, den geltend gemachten Anspruch des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Rechtspflege anzuerkennen, rechtens war.  Der Beschwerdeführer hatte gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht weder die Höhe des von ihm verlangten Kostenvorschusses noch die ihm gesetzte Frist für die Einzahlung dieses Kostenvorschusses förmlich bestritten. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht keine Unterlagen übermittelt, aus denen hervorging, dass dieser bedürftig ist. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, wonach es in keiner Weise als erwiesen zu erachten ist, dass der Beschwerdeführer nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. Abweisung der Beschwerde.
  • Urteil vom 8. März 2022 (2C_189/2022): MWST 2012-2017; Streitig war die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass die Steuerpflichtige die 30-tägige Beschwerdefrist versäumt hat. Die Steuerpflichtige empfängt ihre Post über eine externe Dienstleisterin. Diese Dienstleisterin unterhält bei der Post ein "virtuelles" Postfach. Die dort eingehende Post wird der Dienstleisterin jeweils von Montag bis Freitag physisch zugestellt. Gemäss "Track & Trace" erfolgte die Zustellung des relevanten Schriftstücks am Samstag, 30. Oktober 2021 (natürliche Vermutung für ordnungsgemässe Zustellung aufgrund "A-Post-Plus"-Versand). Gemäss Vorinstanz habe der Fristenlauf daher am Sonntag, 31. Oktober eingesetzt und sei die Frist am 29. November 2021 ausgelaufen. Die Eingabe der Steuerpflichtigen am 30. November 2021 sei damit nicht rechtzeitig erfolgt. Die Steuerpflichtige bringt hiergegen vor, dass die Korrespondenz physisch erst am Montag, 1. November 2021 in die Hände der externen Dienstleisterin gelangt sei. Das Bundesgericht bestätigt vorliegend seine frühere Rechtsprechung zum "virtuellen" Postfach (vgl. BGer-Urteil 2C_463/2019 sowie unseren Beitrag), wonach das "virtuelle" Postfach mit dem freiwilligen Rückbehaltungsauftrag vergleichbar sei und die Frist dadurch weder gehemmt noch verlängert werde. Die Steuerpflichtige müsse sich überdies das Verhalten ihrer Vertretung (Schliessung der Büros am Wochenende, verspätete Weiterleitung des Schriftstücks an Steuerpflichtige) anrechnen lassen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 8. März 2022 (2C_323/2021): Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich 2017, Steuerdomizil; die Steuerpflichtigen hatten nach ihrer Hochzeit 2014 ihr Steuerdomizil von (zwei Gemeinden in ZH) nach GR verlegt. Dies wurde von ZH für die Steuerperioden 2014-2017 auch ohne weitere Abklärungen anerkannt. Für 2017 machte ZH hingegen nach tiefgreifender Prüfung der Lebensrealitäten der Steuerpflichtigen wieder die unbeschränkte Steuerhoheit geltend. Zu prüfen war letztlich, ob eine massgeblich veränderte Faktenlage zugunsten des Kantons ZH vorlag, die ihm nach der Rechtsprechung erlaubt, seine Steuerhoheit wieder in Anspruch zu nehmen. Dies bejahte das Bundesgericht mit folgenden Erwägungen: "Sinn und Zweck des sich aus der Rechtsprechung ergebenden Erfordernisses einer massgeblich veränderten Faktenlage [...] kann aber nicht sein, die Behörden wegen (allfälliger) vergangener Versäumnisse daran zu hindern, die Lebensverhältnisse in einem nachmaligen Zeitpunkt [unter Berücksichtigung der Grenzen von deren Mitwirkungspflichten] genauer zu untersuchen und - aufgrund der durch die Steuerpflichtigen gelieferten umfassenden Informationen - die Besteuerungskompetenz dann neu in Anspruch zu nehmen." Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen gegen ZH, Gutheissung ihrer Beschwerde gegen GR.
  • Urteil vom 16. März 2022 (2C_465/2021): Staats- und Gemeindesteuern Solothurn sowie Direkte Bundessteuer 2019; Schuldzinsenverlegung und Schuldzinsenüberschuss im Privatvermögen. Vorliegend erachtete der Steuerpflichtige mit Wohnsitz in CH und Liegenschaft in DE die Steuerausscheidung als DBA-widrig. Allerdings enthält das DBA CH-DE keine Bestimmungen darüber, wie Schulden und Schuldzinsen im internationalen Verhältnis zu verteilen sind. Weiter sind Werkzeuge und Maschinen nicht als Liegenschaftsunterhaltskosten abzugsfähig. Abweisung der Beschwerden des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 18. März 2022 (2C_662/2021; 2C_663/2021): Amtshilfe DBA CH-SE; Die ESTV wirft die Rechtsfrage auf, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Übermittlung von ersuchten Informationen für einen ersuchten Zeitraum zulässig sei, für welchen eine ausländische Verjährung eintrete oder eingetreten ist. Die Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit ist erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Gesuchstellung eine vernünftige Möglichkeit besteht, dass sich die angefragten Informationen als erheblich erweisen. Die ESTV als ersuchte Behörde hat keine Fragen zu klären, welche das ausländische Steuerverfahren betreffen. Nach ständiger Rechtsprechung sind Amtshilfeersuchen im Zeitpunkt ihrer Einreichung zu beurteilen. Ebenso nennt die ersuchende Behörde kein Datum im Ersuchen, ab dem die ersuchten Informationen nicht mehr nützlich sein würden. Die Übermittlung von Informationen ist also zulässig, solange im Zeitpunkt der Einreichung der Amtshilfeersuchen nicht offenkundig klar ist, dass für einen ersuchten Zeitraum die ausländische Verjährung bereits eingetreten ist. Dies gilt auch, wenn die ersuchende Behörde von sich aus auf den allenfalls künftigen Eintritt der Verjährung hinweist, sich zugleich aber aus dem Ersuchen ergibt, dass die verlangten Informationen weiterhin von Nutzen sind. Gutheissung der Beschwerde der ESTV.

Nichteintreten:

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.