Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 17 - 23. April 2023 publiziert wurden:
- Urteil vom 14. März 2023 (9C_686/2022): Verrechnungssteuer; geldwerte Leistungen; Streitig ist, ob das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil A-4265/2019 vom 15. Dezember 2021 (siehe auch unseren Beitrag vom 16. Januar 2022) zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Weiterverrechnung der Management Fees des Fonds an die A. GmbH eine der Verrechnungssteuer unterliegende geldwerte Leistung darstellt. Es stellt fest, dass die A. GmbH in der Schweiz nur über eine Immobilie verfügte und dass die Kosten, die ihr vom Fonds in Rechnung gestellt wurden in Wirklichkeit dem Fonds zuzurechnen waren. In der Praxis werden zudem nur Verwaltungskosten in Höhe von 5% des Mietertrags zugelassen, so dass die Verbuchung von Management Fees bei der A. GmbH in Höhe von rund 20% des Mietertrags über das in der Praxis Zugelassene hinausgeht. Dies entspricht nicht dem Drittvergleich. Abweisung der Beschwerde der steuerpflichtigen A. GmbH.
- Urteil vom 20. März 2023 (9C_674/2021): Staats- und Gemeindesteuern und Direkte Bundessteuer 2015 (Graubünden); die Kantone Zürich und Graubünden erachteten die Steuerpflichtigen in derselben Steuerperiode als unbeschränkt steuerpflichtig und die Veranlagungsverfügungen beider Kantone erwuchsen unangefochten in Rechtskraft; das von den Steuerpflichtigen gestellte Revisionsgesuch aufgrund interkantonaler Doppelbesteuerung wies der Kanton GR ab; eine Revision im Kt. GR ist gemäss BGer vorliegend richtigerweise ausgeschlossen. Die Veranlagungsverfügung des zweitveranlagenden Kt. ZH sei weder eine neue erhebliche Tatsache noch ein entscheidendes Beweismittel und die eingetretene Doppelbesteuerung sei einzig den prozessualen Versäumnissen der Steuerpflichtigen geschuldet; die Steuerpflichtigen hätten stattdessen die Veranlagungsverfügung des (zweitveranlagenden) Kantons ZH im ordentlichen Verfahren anfechten müssen; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 29. März 2023 (9C_675/2022): Staats- und Gemeindessteuern und direkte Bundessteuer 2001-2011 (Genf); Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht ein Ausstandsbegehren gegen einen Richter des erstinstanzlichen Gerichts des Kantons Genf zu prüfen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der zuständige Richter ebenfalls Partner einer Rechtsanwaltskanzlei ist, in welcher einer der Partner mit dem Vertreter der Steuerpflichtigen in persönlichem Konflikt steht. Obwohl der vom Ausstandsbegehren betroffene Richter bei dem über Email geführten Zwist mit dem Vertreter der Steuerpflichtigen in Kopie war, begründet dies noch keine persönliche Befangenheit, hat er sich doch selbst nie zur Sache geäussert. Abweisung der Beschwerde.
- Urteil vom 29. März 2022 (9C_724/2022): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2014-2016 (Solothurn); Verweigerung des Abzugs von Unterhaltskosten und Kosten für Energiesparmassnahmen durch die kantonale Veranlagungsbehörde, weil es sich bei den Arbeiten an einer Alphütte um einen sogenannten "wirtschaftlichen Neubau" gehandelt haben soll. Das BGer verweist vorliegend auf seine diesbezügliche Praxisänderung und das kürzlich ergangene Leiturteil dazu (BGer-Urteil 9C_677/2021 sowie unser Beitrag vom 26.03.2023), wonach für alle Arbeiten an einer neu erworbenen Liegenschaft – wie bei allen anderen Liegenschaftsarbeiten – individuell aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters – und unter Mitwirkung der steuerpflichtigen Person – abzuklären sei, ob sie dazu dienen, einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen, mithin werterhaltend wirken. Kann dies nicht festgestellt werden, ist im Bereich der Einkommenssteuer gemäss der Normentheorie (Art. 8 ZGB analog) zulasten der steuerpflichtigen Person davon auszugehen, dass die Kosten nicht der Instandstellung dienen und folglich nicht abgezogen werden können. Vor dem Hintergrund der Praxisänderung erweist sich das Vorbringen der Steuerpflichtigen als begründet. Die Vorinstanz hat die Darstellung der Steuerpflichtigen hinsichtlich des objektiv-technischen Charakters der individuellen Arbeiten zu prüfen. Gutheissung der Beschwerde der Steuerpflichtigen und Rückweisung an die Vorinstanz zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung.
- Urteil vom 3. April 2023 (9C_736/2022): Mehrwertsteuer, Steuerperioden 2015-2017; Eine Einwohnergemeinde liess 2012 bis 2015 eine multifunktionale Sportarena bauen. Die Baukosten finanzierte die Einwohnergemeinde im Rahmen einer Spezialfinanzierung. Die Einwohnergemeinde verpachtet die Sportanlage (inkl. MWST) seit dem 24. Juli 2015 an eine AG, an der sie sämtlich Aktien hält. Am 15. Dezember 2015 meldete die Einwohnergemeinde ihre (spezialfinanzierte) Dienststelle A im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen an. Die ESTV kürzte den von der Dienststelle A geltend gemachte Vorsteuerabzug auf den Investitionen für den Bau der Sportanlage wegen Subventionsbezugs massiv und stellte mit Einschätzungsmitteilung vom 14. Dezember 2018 eine Nachforderung in Millionenhöhe. Die diesbezügliche Beschwerde der Einwohnergemeinde hiess das BVGer gut. Die ESTV gelangte dagegen ans BGer. Das BGer hatte zu prüfen, ob buchmässige Gutschriften im Zusammenhang mit Landverkäufen sowie ein Aufwertungsgewinn betreffend Baurechtszinsen als Subventionen oder andere öffentlich-rechtliche Beiträge (Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG) einzustufen sind und ob darin überhaupt Mittelflüsse an die Dienststelle A zu sehen sind. Das BGer verweist auf das kürzlich ergangene Leiturteil 2C_2/2022 vom 22. November 2022 (vgl. unseren Beitrag dazu), wonach Mittelflüsse zwischen Dienststellen desselben Gemeinwesens respektive zwischen einer Dienststelle und seinem "Muttergemeinwesen" keine Subventionen oder andere öffentlich-rechtliche Beiträge sind, die eine Vorsteuerkürzung nach sich ziehen. Subventionen würden begriffsnotwendig voraussetzen, dass die fraglichen Mittel den Kreislauf des leistenden Gemeinwesens verlassen. Das BGer weist aber darauf hin, dass bei ungewöhnlicher, sachwidriger und absonderlicher Organisation von Dienststellen zur Verbesserung der Vorsteuerabzugsposition der Vorsteuerabzug aufgrund Steuerumgehung verweigert werden kann. Abweisung der Beschwerde der ESTV.
- Urteil vom 22. März 2023 (2C_502/2022): Tabaksteuer; Strittig und zu prüfen war, ob auf den in einem Zollfreilager gelagerten Wasserpfeifentabak der Steuersatz vor oder nach der am 1. September 2017 in Kraft getretenen Gesetzesrevision anwendbar ist. Die Steuer bestimmt sich nach dem Steuersatz, der zum Entstehungszeitpunkt der Zollschuld gilt (Zeitpunkt der Zollanmeldung oder der Auslagerung). Die Vorinstanz hat dementsprechend zu Recht den nach dem 1. September 2017 geltenden Steuersatz für anwendbar erklärt. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 22. März 2023 (2C_503/2022): Tabaksteuer; Strittig und zu prüfen war, ob auf den in einem Zollfreilager gelagerten Wasserpfeifentabak der Steuersatz vor oder nach der am 1. September 2017 in Kraft getretenen Gesetzesrevision anwendbar ist. Die Steuer bestimmt sich nach dem Steuersatz, der zum Entstehungszeitpunkt der Zollschuld gilt (Zeitpunkt der Zollanmeldung oder der Auslagerung). Die Vorinstanz hat dementsprechend zu Recht den nach dem 1. September 2017 geltenden Steuersatz für anwendbar erklärt. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 20. März 2023 (2C_340/2022) - zur Publikation vorgesehen: Grundstücksteuer 2019 (Wallis); Die Walliser Grundstücksteuer knüpft neben dem Grundstück als Steuerobjekt auch an die (Nicht-) Ansässigkeit in der Gemeinde an. Die Grundstücksteuer wird grundsätzlich auf dem Steuerwert per 31. Dezember berechnet und beträgt 1 Promille für natürliche Personen und 1.25 Promille für juristische Personen (Art. 181 Abs. 1 StG VS). Für Nichtwohnsässige wir eine Minimal-Grundstücksteuer von CHF 25 erhoben (Art. 181 Abs. 2 StG VS). Das BGer kommt zum Schluss, dass die Ungleichbehandlung zwischen Wohnansässigen und Nichtwohnansässigen sachlich nicht zu rechtfertigen ist und die Minimal-Grundstücksteuer bei Nichtwohnansässigen gegen Art. 8 Abs. 1 BV verstösst. Gutheissung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 28. März 2023 (9C_116/2023): Staats- und Gemeindesteuern und direkte Bundessteuer 2015 (Bern); Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet einzig die Frage, ob die Vorinstanz u Recht die Entscheide der Unterinstanz, der Steuerrekurskommission des Kantons Bern, bestätigt hat, mit dem Letztere auf die gegen die Einspracheentscheide erhobenen Rechtsmittel wegen Verspätung nicht eingetreten ist. Dies wird bejaht. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
Nichteintretens- und Abschreibungsentscheide:
Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.